„Stellen Sie gerne mehr Fragen!“
Interview mit Lehrenden des Kontaktstudiums zum digitalen Studium
Befragt wurden:
- Dr. Lutz Flörke, Literaturwissenschaftler, tätig als freiberuflicher Dozent, Autor und Literaturperformer
- Prof. em. Dr. Helmut Halfmann, Fachgebiet Geschichte, Schwerpunkt Alte Geschichte
- Prof. em. Dr. Peter Hühn, Anglist, seit 5 Jahren verschiedene Vorlesungen im Rahmen des Kontaktstudiums zu Shakespeare, zur Lyrik und zum Phänomen des Erzählens
- Barbara Janocha, Religionswissenschaftlerin, bietet häufig Veranstaltungen zum Islam an
- Dr. Dagmar Lekebusch, Kunsthistorikerin, freie Dozentin im Kontaktstudium, interessiert sich für die „kleinen Dinge“
- Sandra von der Reith, Anglistin, Dozentin im Kontaktstudium mit Veranstaltungen zu englischer Sprache, Literatur und Kultur
Welche Veranstaltungen bieten Sie im Sommersemester 2021 im Kontaktstudium an?
Flörke: Ich biete ein Seminar mit dem Thema „Erzählerische Grenzüberschreitungen“ an.
Halfmann: Im Sommersemester 2021 biete ich eine Vorlesung an zum Thema: "Entgrenzung: Rom – vom Dorf am Tiber zur antiken Weltmacht“.
Hühn: Eine Vorlesung zum Thema "Erzählen in Bildern (Gemälden und Photographien)" – hier wird das Interesse an Erzählvorgängen auf deren visuelle Vermittlung in Bildern ausgeweitet.
Janocha: Im Sommersemester 2021 sind zwei Veranstaltungen im Programm. "Die Expansion des arabischen Reiches bis 750" nimmt die bis heute erstaunlich schnelle Ausbreitung des arabischen Territoriums nach dem Tode des Propheten Muhammads in den Blick. Innerhalb von wenigen Jahrzehnten umfasste das beherrschte Gebiet die Region von der Iberischen Halbinsel bis zum Indus. Die zweite Veranstaltung befasst sich mit den Zusammenhängen von Religion und Politik im Iran. Anlässlich der dortigen Präsidentschaftswahlen im Sommer ist die Veranstaltung "Der schiitische Iran" der Auftakt für eine neue Vortragsreihe, die "Religion, Politik und Kultur in den Gesellschaften des Nahen und Mittleren Ostens" beleuchten wird.
Lekebusch: Ich biete eine Vortragsreihe zum Thema „Schatzkammern als Spiegelbilder pompöser Repräsentation am Beispiel des Grünen Gewölbes“ an.
von der Reith: Ich werde im Sommersemester zwei Veranstaltungen anbieten: ein Cultural Studies Thema in englischer Sprache „A myth over time: The fascination with British aristocracy” und eine kolloquiale Vortragsreihe zu einem Literaturthema: „Weit über die Grenzen der erzählten Welt hinaus – Metafiktion im Roman“. Es handelt sich dabei um Erzählungen, die das Schreiben selbst auch zum Thema machen. Um die Thematik in ihrer Bandbreite zu verdeutlichen, nehmen wir uns gleich sieben Romane in Auszügen vor – und das quer durch die Literaturgeschichte.
Was haben Sie für Erfahrungen in den ersten beiden digitalen Semestern gemacht?
Flörke: Ausgesprochen positive. Für mich ist das Medium dauerhaft eine gute Ergänzung zu Präsenzveranstaltungen, gerade für Teilnehmende von außerhalb und für ältere Menschen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sehr konzentriert, ich habe den Eindruck mehr als in Präsenzveranstaltungen, und beteiligen sich rege am Gespräch.
Halfmann: Erfahrungen habe ich erst im noch laufenden Wintersemester gemacht – insgesamt klappt es besser, als ich erwartet hatte bezüglich Technik und Konzentration meinerseits, und auch kontinuierlicher Teilnahme seitens der Zuhörerinnen und Zuhörer.
Hühn: Ich habe im zu Ende gehenden Wintersemester zwei Vorlesungen gehalten, eine zu Shakespeare (Dramen und Sonette), die andere zum europäischen Sonett (zusammen mit dem Kollegen Heinz Hillmann). Nach einigen technischen Anlaufschwierigkeiten (meine Fehler) liefen die Vorlesungen sehr gut.
Janocha: Die ersten Veranstaltungen im Online-Format waren ein voller Erfolg. Wie in jedem Live-Seminar oder jeder Live-Vorlesung konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst für sich entscheiden, ob sie eher passiv teilnehmen oder sich aktiv ins Geschehen einbringen wollten. Viele nutzten die Gelegenheit, ihre Kamera und auch ihr Mikrophon freizugeben, um so miteinander ins Gespräch zu kommen. Dadurch, dass auf jeder Zoom-Kachel der Name angegeben ist, kann ich meine Teilnehmenden sogar persönlich kennenlernen und ansprechen. Das ist ein Vorteil.
Lekebusch: Es ergaben sich durch dieses neue Format viele neue Herausforderungen, die mich sehr gereizt haben. Es war spannend gemeinsam mit den Teilnehmenden diese neue Welt zu entdecken, inkl. aller Neuheiten und Ungewohntem.
von der Reith: Ich habe zunächst einfach mal neue Erfahrungen gemacht – und davon eine ganze Menge. Die allermeisten waren glücklicherweise auch gute Erfahrungen: aktive, interessierte und gut vorbereitete Teilnehmende, die sich trotz räumlicher Entfernung engagiert ausgetauscht und eingebracht haben. Danke nochmal an dieser Stelle!
Was hat sich bewährt, was klappt gut, was macht Spaß?
Flörke: Die Präsenz als Dozent ist entscheidend. Das beginnt mit dem gewählten Bildausschnitt, geht über richtiges In-die-Kamera-Gucken und klares, ruhiges Sprechen bis zur freundlichen Einforderung von Rückmeldungen.
Eine ruhige, freundliche Atmosphäre scheint mir wichtig, gerade weil viele Leute Probleme haben, mit und Ängste vor der Technik. Ein bisschen nach dem Motto: Wir sind alle Anfänger*innen und helfen uns gegenseitig.
Zudem muss man ja davon ausgehen, dass immer mal Verbindungsprobleme auftauchen. Also ist es gut, sich zu vergewissern, ob alle noch technisch verfolgen können, was ich erzähle. Ein-, zweimal habe ich mir jemanden ausgesucht, der mir zwischendurch per Chat mitteilte, wenn mein Bild soeben für einige Sekunden „eingefroren war“. Dann habe ich wiederholt.
Die Teilnehmenden dürfen bereits vor mir den virtuellen Raum betreten. Das nutzen einige, um sich technisch vertraut zu machen oder auch um miteinander zu reden. Ich trete spätestens 15 Minuten vor Beginn der Sitzung bei, um technisch zu helfen oder auch nur, um ein paar Worte zu wechseln.
Die meisten kamen mit dem Programm schnell klar. Wichtig war zu erklären, wie und wo sie Bild und Ton aus- und anschalten können. Stummschaltung ist sinnvoll wegen der Nebengeräusche.
Wer sich meldet, winkt. Wenn Leute gar nichts sagen, frage ich gern mal zwischendurch oder am Ende, ob sie zufrieden sind, ob die Übertragung in Ordnung war oder etwas in der Art, um den akustischen Kontakt wenigstens einmal herzustellen.
Ich frage, zumindest in den ersten Sitzungen eines Seminars mehrfach zwischendurch, wie es allen geht, ob sie zufrieden sind, ob alles funktioniert.
Janocha: Soweit ich das beurteilen kann, haben sich alle Teilnehmenden schnell an das Format gewöhnt und die technischen Herausforderungen bewältigt. Tatsächlich ist es kein Hexenwerk, sich über Zoom dazuzuschalten. Dank der guten Hilfestellungen seitens des ZFW sind die digitalen Veranstaltungen eine gute Alternative zum Präsenzunterricht. Viele haben auch angemerkt, dass es sehr angenehm ist – gerade in der kühleren Jahreszeit – nur den Weg bis zum Schreibtisch zu haben und sich nicht auf den Weg zum Dammtor machen zu müssen, z.B. Teilnehmende, die aus Ahrensburg oder Bremen zugeschaltet waren.
Diskussionsbeiträge, wie Buchempfehlungen oder andere Notizen, können von allen Beteiligten in den Chat geschrieben werden und gehen so nicht verloren.
Hühn: Die Besprechung von Texten, was Gegenstand der Vorlesung war, lässt sich mit PowerPoint sehr gut in diesem digitalen Format durchführen – die Texte wurden vorher in Agora eingestellt und während der Besprechung gezeigt. Ich habe die Vorlesung – anders als bei Präsenzveranstaltungen – vorher ausformuliert und anschließend für die Zuhörer zum Nachhören in Agora eingestellt, was die Teilnehmer offenbar sehr schätzten.
Lekebusch: Die Zoom-Variante der Universität hat bisher zuverlässig funktioniert und auch bei den Teilnehmenden gab es, soweit ich es mitbekommen habe, keine Probleme. Es macht Freude, wenn die Beteiligenden sich sichtbar machen, also nicht immer die Kamera ausschalten, und es zum Austausch kommt.
Was Spaß macht? Es macht Freude, zu sehen, wenn die Teilnehmenden auch in der nächsten Sitzung wieder dabei sind. Und es freut mich zu hören, dass das digitale Format für einige Teilnehmende sogar ein Gewinn ist, vor allem für die, die weniger mobil sind und lieber zu Hause sind, wenn es sich um eine Veranstaltung am Abend handelt.
von der Reith: Gut geklappt hat erfreulicherweise zumeist die Technik. Spaß gemacht haben die Diskussionen, die immer mehr dazu führten, dass die Wortmeldungen nicht über die Funktionen des Programms, sondern durch Handzeichen live vor der Kamera gegeben wurden. Das fühlte sich dann beinahe so an, als wäre man zusammen in einem Raum.
Halfmann: Da gerade erst die Hälfte der Vorlesungszeit vorbei ist, kann ich noch kein Semesterresümee abgeben.
Wo haben Sie Schwierigkeiten erwartet? Wo gab es Probleme?
Flörke: Ich war mir nicht sicher, ob manche nicht durch die häusliche Umgebung abgelenkt würden. Das scheint aber nur als Ausnahme vorzukommen, dass plötzlich ein Staubsauer aufheult oder es an der Tür klingelt.
Im Netz braucht man als Lehrender eine höhere Konzentration als in einer Präsenz-Veranstaltung. Man kann die Menschen schlechter einschätzen, als wenn man sie leibhaftig vor sich hat.
Ich vergewissere mich häufiger, ob ich nicht zu schnell bin bzw. ob meine Äußerungen tatsächlich angekommen sind, wiederhole auch häufiger mal eine Frage oder Antwort. Bei Zoom kommt es immer mal wieder vor, dass sich verschiedene Sprecher*innen überlagern und man nichts mehr versteht bzw. sich eine/r in den Vordergrund drängt.
Die persönliche, auch namentliche Ansprache ist noch wichtiger als im Präsenz-Seminar.
Halfmann: Für mich wird das digitale Format nie die Präsenzveranstaltung ersetzen können; es fehlt die räumliche und atmosphärische Nähe, die Spontaneität von Fragen und Antworten, die zwanglose Unterhaltung vor und nach der Vorlesung.
Inwieweit sich die Zuhörerenden direkt mit Fragen und Diskussion einbringen, werde ich in der zweiten Semesterhälfte austesten; bis jetzt scheint mir eine größere Zurückhaltung zu herrschen als in der Präsenzveranstaltung,
Hühn: Die Vorführung von Videos (Vertonungen, dramatische Szenen) ist wegen mangelnder Lautstärke nicht gelungen, war aber durch die Konzentration auf die Texte letztlich kein Verlust. Etwas frustrierend war das Sprechen ohne Anblick der Zuhörenden. Wie ich jetzt erfahren habe, kann man es durch einen zweiten Bildschirm so einrichten, dass man wenigstens einige der Zuhörer direkt sehen kann (wenn sie eine Kamera haben und diese einschalten).
Leider führt diese technische Kommunikation dazu, dass die Teilnehmenden sich weniger mit Fragen und Bemerkungen melden oder zu melden trauen, wozu ich immer wieder auffordere.
Janocha: Es hat bisher alles sehr gut geklappt. Ich habe damit gerechnet, dass es technische Schwierigkeiten gibt, dass vielleicht mal jemand "rausfliegt", weil die Server-Kapazitäten nicht reichen oder anderes. Aber bisher – auch dank der Unterstützung des ZFW – war der plötzliche Wechsel zum Online-Format erfolgreich. Eventuell hatte ich erwartet, dass die Teilnehmenden sich ein wenig scheuen sich mit Foto und Mikrophon zuzuschalten. Aber nach einer gewissen Aufwärmphase haben wir im Seminar alle ein gutes Miteinander gefunden.
Lekebusch: Ich war in Sorge, ob die Technik – auch bei vielen Teilnehmer*innen – zuverlässig funktionieren würde und ob ich es würde schaffen können, ohne präsent zu sein, die Zuhörer*innen “bei der Stange” zu halten.
von der Reith: Einmal wurde ich von der Technik mehrmals aus dem eigenen Seminar geworfen. Da alle geduldig und hartnäckig weitermachten, war auch das letztendlich kein Problem. Unsicher war ich, ob eine Diskussion möglich sein würde – und ja, sie ist es.
Was würden Sie Teilnehmenden empfehlen?
Flörke: Sobald sie den Link haben, sollten sie bereits einmal allein den virtuellen Seminarraum betreten, um in Ruhe die Technik zu probieren.
Es sollte ihnen schon vorab mitgeteilt werden, dass sie nichts „kaputtmachen“ können. Und vor allem, dass sie jederzeit aus- und mit dem gleichen Link wieder einsteigen können. Wenn es Probleme mit Bild oder Ton gibt, kann man den Chat nutzen, um Fragen zu stellen oder Bemerkungen los zu werden.
In Einzelfällen können Teilnehmende auch nach der Sitzung noch einige Minuten mit mir allein bei Zoom bleiben, etwa um eine Mikrophon-Einstellung zu überprüfen. Manchmal hilft’s.
Halfmann: Ich empfehle den Teilnehmenden mehr Mut, Fragen und Diskussionsbeiträge auch im digitalen Raum zu äußern. Da etwa 50% weniger Personen teilnehmen als in der präsentischen Veranstaltung, werden im digitalen Format weniger Interessenten erreicht. Hier könnte das ZFW Strategien entwickeln, diese Hemmschwelle überwinden zu helfen.
Hühn: Ich würde generell den Teilnehmenden empfehlen, sich häufiger mit ihren Fragen und Kommentaren zu beteiligen. Das nächste Mal werde ich den Teilnehmenden diese (erwünschte) Möglichkeit noch mehr ans Herz legen.
Janocha: Wenn Sie sich bisher noch nicht an die Technik getraut haben, möchte ich Sie herzlich einladen einfach mal den Versuch zu starten, an einem Online-Seminar teilzunehmen. Für alle war es erstmal neu und fremd. Selbstverständlich ist es eine ganz andere Situation, als Sie es bisher kannten. Aber es lohnt sich! Sie finden Unterstützung und freuen sich nachher an Ihrem Erfolg und können auch ein wenig stolz auf sich sein, neue Erfahrungen gemacht zu haben. Selbstverständlich können Sie ja auch erstmal im Hintergrund bleiben und sich peu à peu mit den Möglichkeiten vertraut machen. Sie wissen doch: "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!".
Lekebusch: Online-Veranstaltungen einfach ausprobieren! Unterstützung gibt es seitens des ZFW ausreichend. Für die Veranstaltungen wäre es wunderbar, wenn sich noch mehr Leute trauen würden aktiv dabei zu sein, kleine Beiträge leisten und auch die Plattform AGORA nutzen bzw. bespielen würden. Wissen zu teilen und/oder sich in ein Thema eigenständig zu vertiefen, ist immer ein Gewinn.
von der Reith: Eigene Erfahrungen mit dem Online-Lernen zu machen – damit wir in diesen Zeiten wenigstens über die Entfernung gemeinsam mit- und voneinander lernen können.
Die Fragen stellte Magdalene Asbeck per E-Mail.