6. Juli 2023, 17:15 Uhr

Foto: Hüttis-Graff
Seit 1996 verstehe ich Beobachten als Rekonstruktion von Lernprozessen beim Schriftspracherwerb. Es ist angewiesen auf herausfordernde Lernaufgaben, die verschiedene Zugänge eröffnen, die ko-konstruktiv erweiterbar sind und so Lernen beobachtbar werden lassen, auch wenn die Schrifterfahrungen des Kindes erst schmal sind. Zudem ist eine offene, nicht vorschnell normalisierende, typisierende oder egalisierende Haltung der Beobachtenden wichtig, die deutschdidaktisches Wissen und Lehr-Lern-Erfahrung mit einem genauen Blick auf Lernende konstruktiv verbindet. Didaktische Aufgabe dieses Beobachtens ist in der Forschung, auch untypische, unerwartete Lernwege und Interessen von Lernenden sichtbar zu machen, also die mit Standardisierung verbundene Selektion und Steuerung von Lernwegen aufzubrechen und stattdessen eigensinnige Lernprozesse als potenziell fruchtbare Momente im Bildungsprozess anzunehmen. Didaktische Aufgabe des Beobachtens in der Schule ist, dass Lehrende jenseits aller Routinen die Besonderheit des Einzelfalls wahr- und annehmen, um ggf. im Austausch mit dem Kind passende Anschlussaufgaben und v.a. Unterrichtskontexte entwickeln zu können, die der beobachteten Individualität bzw. Diversität Impulse und Raum zum Lernen geben. Die Entwicklung dieser didaktischen Perspektiven der Lernprozessbeobachtung im Deutschunterricht ist Gegenstand des Vortrags.
Dr. Petra Hüttis-Graff ist Professorin für die Didaktik der deutschen Sprache und Literatur mit dem Schwerpunkt Primarstufe. Arbeitsschwerpunkte sind der Schriftspracherwerb, das Rechtschreiblernen und das Beobachten als didaktische Aufgabe sowie die Initiierung und Begleitung von Kooperationsprojekten, wie das TheaterSprachCamp und die Lese-Hör-Kisten.
Donnerstags 17 – 19 Uhr, Von-Melle-Park 8, Raum 05