Im Takt der Zeit ! ?
Mittlerweile ist es ja schon zu einer kleinen Tradition geworden, dass 5 Hamburger psychodynamisch-psychoanalytisch ausgerichtete Ausbildungsinstitute (Adolf Ernst Meyer Institut; Akademie für Integrierte Psychotherapie, Psychoanalyse und Psychosomatik Hamburg; DPG-Institut Hamburg; Institut für Psychotherapie des UKE und das Michael Balint Institut) alle zwei Jahre eine Ringvorlesung anbieten und sich damit an interessierte Studierende und Kollegen, Kolleginnen, aber auch an Bürger und Bürgerinnen der Stadt Hamburg wenden. Dieses Mal widmen wir uns der Zeit und haben das Leitthema „Im Takt der Zeit ! ?“ gewählt, das bereits die vielfältigen Facetten des Zeitbegriffes und sich darum rankende Kontroversen zum Ausdruck bringen soll. Im Zentrum steht die psychoanalytische Sicht auf die Zeit, eingebettet in Vorlesungen aus Nachbarwissenschaften wie der Neurobiologie, der Physik, der Soziologie oder auch der Entwicklungspsychologie. Mit unserer Vorlesungsreihe möchten wir zu Nachdenklichkeit und Austausch anregen und freuen uns sehr, dass wir dafür eine Reihe renommierter Referenten und Referentinnnen gewinnen konnten.
Donnerstags 19:00 – 20:30 Uhr, Hauptgebäude, Edmund-Siemers-Allee 1, Hörsaal M
Den wissenschaftlich-philosophischen Hintergrund dieses Vortrags bildet die Dialektik von Erinnern und Vergessen, die Freud und Nietzsche aus unterschiedlichen Blickwinkeln thematisiert haben. In Freuds therapeutischen Konzepten bildete das Erinnern, genauer gesagt das Aufdecken unbewusster Erinnerungen, den Hauptfokus der psychoanalytischen Therapie. Bei Nietzsche war es gerade umgekehrt. Bei ihm stand das Vergessen im Fokus, genauer gesagt die Rehabilitierung der „aktiven Vergesslichkeit“. Günter Gödde geht es in seinem Beitrag darum, Erinnern und Vergessen nicht gegeneinander auszuspielen, sondern sie in einem psychodynamischen Prozessmodell für die Psychotherapie nutzbar zu machen. In diesem Rahmen kann das Erinnern-Können als erste Stufe und das Verarbeiten- und Vergessen-Können als zweite Stufe in jedem therapeutischen Prozess betrachtet werden. Was dies für die psychodynamische Therapie en detail bedeutet, soll an kasuistischen Beispielen transparent gemacht werden.
Dr. Günther Gödde, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Berliner Akademie für Psychotherapie
Dr. Günther Gödde, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Berliner Akademie für Psychotherapie
20.04.2023
Was ist Zeit? Gedanken eines Physikers
Der Begriff und die Natur der Zeit werden nach eher philosophischen Vorbemerkungen zu Kant, zu McTaggarts A- und B-Reihen, und zur Unterscheidung zwischen phänomenologischer und physikalischer Zeit, aus Sicht der Physik behandelt. Nach einem kurzen historischen Abriss der Zeitmessung bilden drei Themen den Schwerpunkt: (1) der Zeitpfeil, also die Tatsache, dass der Zeit eine Richtung innewohnt, durch welche sich die Vergangenheit von der Zukunft unterscheidet, (2) die Relativität der Zeit und (3) die Relativität der Gleichzeitigkeit in der Relativitätstheorie.
Prof. Dr. Gernot Münster, Physiker, Universität Münster
Was ist Zeit? Gedanken eines Physikers
Der Begriff und die Natur der Zeit werden nach eher philosophischen Vorbemerkungen zu Kant, zu McTaggarts A- und B-Reihen, und zur Unterscheidung zwischen phänomenologischer und physikalischer Zeit, aus Sicht der Physik behandelt. Nach einem kurzen historischen Abriss der Zeitmessung bilden drei Themen den Schwerpunkt: (1) der Zeitpfeil, also die Tatsache, dass der Zeit eine Richtung innewohnt, durch welche sich die Vergangenheit von der Zukunft unterscheidet, (2) die Relativität der Zeit und (3) die Relativität der Gleichzeitigkeit in der Relativitätstheorie.
Prof. Dr. Gernot Münster, Physiker, Universität Münster
27.04.2023
Neue Zeiten: Charakteristische Merkmale, häufige Störungsbilder und Behandlungsansätze im „emerging adulthood“
In seinem Vortrag beschreibt Prof. Dr. Fabian Escher die Herausforderungen der neuen Entwicklungsphase des "emerging adulthood" (18 bis 30 Jahre) für die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung. Er stellt zunächst die Entwicklungsphase "emerging adulthood" in Deutschland, besonders die verlängerte Identitätsbildung, sowie Einflussfaktoren familiärer Art dar. Neue Forschungsbefunde zeigen auf, dass frühere Konzeptualisierungen im Sinne einer pathologisch prolongierten Adoleszenz nach Blos nicht mehr länger zutreffen. Mit der zunehmenden Belastung junger Erwachsener geht ein Anstieg an psychischen Störungen einher, auf den unser Versorgungssystem noch nicht eingestellt ist. Die ansteigenden psychischen Auffälligkeiten in dieser Entwicklungsphase sowie spezifische Störungsbilder, welche in dieser Phase von zentraler Bedeutung sind, werden vorgestellt. Abschließend geht es um erste Ansätze in der Versorgung, wie sie sich etwa im Begriff der "Transitionspsychiatrie" (englisch "transitional care") niederschlagen.
Prof. Dr. Fabian Escher, Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker, Alfred Adler Institut, Mainz
04.05.2023
Kairos und Chronos: Klinisch-psychoanalytische Überlegungen zur Zeit
"Zeit" soll klinisch-psychoanalytisch definiert werden. Nach kurzen Bemerkungen über Zeit, Zeitlosigkeit, Zeiten und Nachträglichkeit wird die Behandlung eines breakdowns beschrieben. Der Zusammenbruch aus der frühesten Zeit des Lebens der Patientin manifestierte sich in einer autistoiden Perversion. Sie trat schließlich in der Übertragung in einem Präsenzmoment auf und konnte als Gedanke für die Patientin in einem turbulenten Prozess denkbar werden. Hier zeigten sich zwei Zeitdimensionen: Der zeitlose Zustand des Zusammenbruchs entfaltete sich in der Behandlung so, dass der Zeit im Präsenzmoment Vorformen von Zeiterfahrungen vorausgingen, aus denen dann die Zeiten Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart werden können. Im Präsenzmoment und seiner Aufhebung im Präsentativen wurden nicht nur der Zusammenbruch psychisch real, sondern auch Zeit, Zeiten und Raum. Für den Analytiker entstanden Vergangenheit und Ort, während für die Patientin die zeitliche Verortung nicht in der Zeit "Vergangenheit", sondern an dem Ort erfolgte, an dem die Perversion praktiziert wurde - Vergangenheit als Ort. Um die Zeiten zu entdecken und zu nutzen, muss die Patientin das abwesende vom retraumatisierenden Objekt unterscheiden. Dann wird das gegenwärtige abwesende Objekt zu einem, das in der Vergangenheit da war und in der Zukunft da sein wird.
Dr. Bernd Nissen, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker in eigener Praxis, Berlin
Neue Zeiten: Charakteristische Merkmale, häufige Störungsbilder und Behandlungsansätze im „emerging adulthood“
In seinem Vortrag beschreibt Prof. Dr. Fabian Escher die Herausforderungen der neuen Entwicklungsphase des "emerging adulthood" (18 bis 30 Jahre) für die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung. Er stellt zunächst die Entwicklungsphase "emerging adulthood" in Deutschland, besonders die verlängerte Identitätsbildung, sowie Einflussfaktoren familiärer Art dar. Neue Forschungsbefunde zeigen auf, dass frühere Konzeptualisierungen im Sinne einer pathologisch prolongierten Adoleszenz nach Blos nicht mehr länger zutreffen. Mit der zunehmenden Belastung junger Erwachsener geht ein Anstieg an psychischen Störungen einher, auf den unser Versorgungssystem noch nicht eingestellt ist. Die ansteigenden psychischen Auffälligkeiten in dieser Entwicklungsphase sowie spezifische Störungsbilder, welche in dieser Phase von zentraler Bedeutung sind, werden vorgestellt. Abschließend geht es um erste Ansätze in der Versorgung, wie sie sich etwa im Begriff der "Transitionspsychiatrie" (englisch "transitional care") niederschlagen.
Prof. Dr. Fabian Escher, Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker, Alfred Adler Institut, Mainz
04.05.2023
Kairos und Chronos: Klinisch-psychoanalytische Überlegungen zur Zeit
"Zeit" soll klinisch-psychoanalytisch definiert werden. Nach kurzen Bemerkungen über Zeit, Zeitlosigkeit, Zeiten und Nachträglichkeit wird die Behandlung eines breakdowns beschrieben. Der Zusammenbruch aus der frühesten Zeit des Lebens der Patientin manifestierte sich in einer autistoiden Perversion. Sie trat schließlich in der Übertragung in einem Präsenzmoment auf und konnte als Gedanke für die Patientin in einem turbulenten Prozess denkbar werden. Hier zeigten sich zwei Zeitdimensionen: Der zeitlose Zustand des Zusammenbruchs entfaltete sich in der Behandlung so, dass der Zeit im Präsenzmoment Vorformen von Zeiterfahrungen vorausgingen, aus denen dann die Zeiten Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart werden können. Im Präsenzmoment und seiner Aufhebung im Präsentativen wurden nicht nur der Zusammenbruch psychisch real, sondern auch Zeit, Zeiten und Raum. Für den Analytiker entstanden Vergangenheit und Ort, während für die Patientin die zeitliche Verortung nicht in der Zeit "Vergangenheit", sondern an dem Ort erfolgte, an dem die Perversion praktiziert wurde - Vergangenheit als Ort. Um die Zeiten zu entdecken und zu nutzen, muss die Patientin das abwesende vom retraumatisierenden Objekt unterscheiden. Dann wird das gegenwärtige abwesende Objekt zu einem, das in der Vergangenheit da war und in der Zukunft da sein wird.
Dr. Bernd Nissen, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker in eigener Praxis, Berlin
11.05.2023
Neurobiologie der Zeit
Neurobiologie der Zeit
Die Zeit ist ein Fluss, der mich mitreisst. Aber ich bin der Fluss. (J.L.Borges)
Die Neurowissenschaften erforschen die Mechanismen der Zeit im Zentralnervensystem von Menschen und Tieren. Sie legen Ergebnisse vor, welche die Realität der Zeit beweisen.
Wem verleiht die Uhr einen numerischen Wert? Wenn man später wieder auf die Uhr schaut, misst man eine Dauer. Gemessen wird die Zeit. Man kann die Zeit nicht sehen, hören, ertasten, riechen, dennoch ist die Zeitlichkeit essentielle Struktur des tierischen Lebens. Immanuel Kant hat im Jahre 1787 die Basis der biologischen Recherchen über die Entität der Zeit gestellt. Für Kant ist sie eine a priori angeborene Eigenschaft des inneren Sinnes. Der Biologe Hermann von Helmholtz siedelte 1849 den angeborene Zeitsinn im Gehirn an. Von Helmholtz bewies, dass zwischen der elektrischen Stimulation und der Spannung eines Muskels eine Zeitspanne vorliegt, die nicht wahrgenommen wird. Die Latenz zwischen jedem Ereignis und seiner Wahrnehmung beträgt eine halbe Sekunde; also leben wir in der Vergangenheit. Die ist eine der wichtigsten Entdeckungen der Biologie. Erst Mitte des 20.Jahrhunderts bestätigte der Neurophysiologe Benjamin Libet die Entdeckung von von Helmholtz mit eindrucksvollen Experimenten. Der Zeitsinn beansprucht mehrere Hirn- und Kleinhirnareale. Es ist korrekt, vom Zeitsinn und nicht von der Zeitwahrnehmung zu sprechen. Ein Gegenstand wird wahrgenommen, die Zeit wird vom Gehirn hergestellt.
Prof. Dr. Arnaldo Benini , Neurologe und Neurochirurg, St. Gallen
Wem verleiht die Uhr einen numerischen Wert? Wenn man später wieder auf die Uhr schaut, misst man eine Dauer. Gemessen wird die Zeit. Man kann die Zeit nicht sehen, hören, ertasten, riechen, dennoch ist die Zeitlichkeit essentielle Struktur des tierischen Lebens. Immanuel Kant hat im Jahre 1787 die Basis der biologischen Recherchen über die Entität der Zeit gestellt. Für Kant ist sie eine a priori angeborene Eigenschaft des inneren Sinnes. Der Biologe Hermann von Helmholtz siedelte 1849 den angeborene Zeitsinn im Gehirn an. Von Helmholtz bewies, dass zwischen der elektrischen Stimulation und der Spannung eines Muskels eine Zeitspanne vorliegt, die nicht wahrgenommen wird. Die Latenz zwischen jedem Ereignis und seiner Wahrnehmung beträgt eine halbe Sekunde; also leben wir in der Vergangenheit. Die ist eine der wichtigsten Entdeckungen der Biologie. Erst Mitte des 20.Jahrhunderts bestätigte der Neurophysiologe Benjamin Libet die Entdeckung von von Helmholtz mit eindrucksvollen Experimenten. Der Zeitsinn beansprucht mehrere Hirn- und Kleinhirnareale. Es ist korrekt, vom Zeitsinn und nicht von der Zeitwahrnehmung zu sprechen. Ein Gegenstand wird wahrgenommen, die Zeit wird vom Gehirn hergestellt.
Prof. Dr. Arnaldo Benini , Neurologe und Neurochirurg, St. Gallen
25.05.2023 - ENTFÄLLT !
Über die Tendenz zur steten Verbundenheit in digitalen Medien verändern sich, so das Thema des Vortrags, nicht nur die praktischen Bedingungen für Präsenz und Absenz in Beziehungen und Kommunikation, sondern auch psychische Bedeutungen von Zeitlichkeit und Getrenntheit.
Prof. Dr. Vera King, Soziologin, Sigmund-Freud-Institut und Goethe-Universität Frankfurt
08.06.2023
In der Zeit sein, aus der Zeit fallen – Ebenen des Zeiterlebens im psychoanalytischen Prozess
Eine Videosequenz aus einer analytischen Säuglingsbeobachtung vermittelt einen Eindruck von dem Wechsel unintegrierter und integrierter Zustände in den ersten Lebensmonaten. Im frühen Erleben gibt es noch keine Zeit; ist das, was ist, noch ohne Ende. Der Säugling ist existentiell darauf angewiesen, von seinem Primärobjekt »gehalten« zu werden.
Wie können Arbeitsstörungen, Beziehungsprobleme, überhaupt Psychopathologien erwachsener Patient:innen mit frühen, zeitlosen Zuständen in Verbindung stehen? Anhand der hochfrequenten Psychoanalyse eines Patienten, der lebensgeschichtlich einen frühen Zusammenbruch erlitten hat, werden parallele Ebenen seines »verrückten« Zeiterlebens beschrieben. Im Zusammenhang mit behandlungstechnischen Überlegungen wird dargestellt, wie es ihm im Verlauf des analytischen Prozesses u.a. möglich wurde, mehr "in der Zeit" zu sein.
Dr. Uta Zeitzschel, FÄ für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytikerin in eigener Praxis, Hamburg
15.06.2023
Verfolgung und Widerstand in Zeiten der Bedrängnis und ihre transgenerationalen Folgen
Wir stellen eine Mehrgenerationen-Studie vor, in der mit qualitativen Interviews die Weitergabe von Traumata, aber auch von Haltungen und Werten, über die Zeiten untersucht wird. Der Titel des Forschungsprojekts lautet: "Kinder des Widerstands und deren Kinder – Auswirkungen von Verfolgung und Widerstand auf die nachfolgenden Generationen".
Dabei untersuchen wir Familien, deren Familienangehörige während des Nationalsozialismus politischen Widerstand geleistet haben. Die Forschungsgruppe besteht aus psychodynamischen Psychotherapeut:innen, die ihre Expertise in der Selbstreflexion und im Umgang mit Übertragung und Gegenübertragung in das Forschungssetting einbringen.
Der Vortrag stellt das Forschungssetting und seine Einbettung in die heutigen Möglichkeiten der qualitativen Forschungsmethoden vor. Anhand von Vignetten aus den Interviews mit zwei Familien werden erste Ergebnisse berichtet. Das Thema erscheint für die Entwicklung eines soziokulturellen Gedächtnisses in Deutschland, welches historisch zutreffend verortet ist, hochrelevant. Weiter ist zu fragen, ob und inwieweit eine durch die Generationen vermittelte Widerstandserfahrung konstitutiv für demokratische Prozesse ist ein heikles Thema mit vielen Bezügen zur Gegenwart.
Gabriele Amelung, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin, DPG Institut, Hamburg / Dr. Isolde de Vries, FÄ für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytikerin, AAIN, Hamburg
Prof. Dr. Vera King, Soziologin, Sigmund-Freud-Institut und Goethe-Universität Frankfurt
08.06.2023
In der Zeit sein, aus der Zeit fallen – Ebenen des Zeiterlebens im psychoanalytischen Prozess
Eine Videosequenz aus einer analytischen Säuglingsbeobachtung vermittelt einen Eindruck von dem Wechsel unintegrierter und integrierter Zustände in den ersten Lebensmonaten. Im frühen Erleben gibt es noch keine Zeit; ist das, was ist, noch ohne Ende. Der Säugling ist existentiell darauf angewiesen, von seinem Primärobjekt »gehalten« zu werden.
Wie können Arbeitsstörungen, Beziehungsprobleme, überhaupt Psychopathologien erwachsener Patient:innen mit frühen, zeitlosen Zuständen in Verbindung stehen? Anhand der hochfrequenten Psychoanalyse eines Patienten, der lebensgeschichtlich einen frühen Zusammenbruch erlitten hat, werden parallele Ebenen seines »verrückten« Zeiterlebens beschrieben. Im Zusammenhang mit behandlungstechnischen Überlegungen wird dargestellt, wie es ihm im Verlauf des analytischen Prozesses u.a. möglich wurde, mehr "in der Zeit" zu sein.
Dr. Uta Zeitzschel, FÄ für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytikerin in eigener Praxis, Hamburg
15.06.2023
Verfolgung und Widerstand in Zeiten der Bedrängnis und ihre transgenerationalen Folgen
Wir stellen eine Mehrgenerationen-Studie vor, in der mit qualitativen Interviews die Weitergabe von Traumata, aber auch von Haltungen und Werten, über die Zeiten untersucht wird. Der Titel des Forschungsprojekts lautet: "Kinder des Widerstands und deren Kinder – Auswirkungen von Verfolgung und Widerstand auf die nachfolgenden Generationen".
Dabei untersuchen wir Familien, deren Familienangehörige während des Nationalsozialismus politischen Widerstand geleistet haben. Die Forschungsgruppe besteht aus psychodynamischen Psychotherapeut:innen, die ihre Expertise in der Selbstreflexion und im Umgang mit Übertragung und Gegenübertragung in das Forschungssetting einbringen.
Der Vortrag stellt das Forschungssetting und seine Einbettung in die heutigen Möglichkeiten der qualitativen Forschungsmethoden vor. Anhand von Vignetten aus den Interviews mit zwei Familien werden erste Ergebnisse berichtet. Das Thema erscheint für die Entwicklung eines soziokulturellen Gedächtnisses in Deutschland, welches historisch zutreffend verortet ist, hochrelevant. Weiter ist zu fragen, ob und inwieweit eine durch die Generationen vermittelte Widerstandserfahrung konstitutiv für demokratische Prozesse ist ein heikles Thema mit vielen Bezügen zur Gegenwart.
Gabriele Amelung, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin, DPG Institut, Hamburg / Dr. Isolde de Vries, FÄ für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytikerin, AAIN, Hamburg
22.06.2023
Kriegszeiten
Der Strom der Geschichte unterteilt sich in die Zeiten des Friedens, aber auch des Kriegs. Gerade in der deutschen Geschichte waren Kriege immer wieder "Zeitenwenden", wie gegenwärtig unter dem Eindruck des Kriegs in der Ukraine festgestellt wird. Als epochale kollektive Erfahrung prägen Kriege generationstypische mentale Strukturen und gestalten weit ausholende psychische Verarbeitungsweisen und lebenspraktische Sinnbezüge, oft ganz unbewusst und wenig begriffen. In einem interdisziplinären Gespräch zwischen einer Historikerin und einem Psychoanalytiker wird der Frage nachgegangen, wie Kriege des 20. Jahrhunderts sich im allgemeinen Bewusstsein niedergeschlagen haben und welche Entwicklungsschritte der psychoanalytischen Theoriebildung davon stimuliert wurden.
Prof. Dr. Dorothee Wierling, Historikerin, ehem. Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg / PD Dr. Ulrich Lamparter, Dipl.-Psych., FA für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker, AEMI, Hamburg
Kriegszeiten
Der Strom der Geschichte unterteilt sich in die Zeiten des Friedens, aber auch des Kriegs. Gerade in der deutschen Geschichte waren Kriege immer wieder "Zeitenwenden", wie gegenwärtig unter dem Eindruck des Kriegs in der Ukraine festgestellt wird. Als epochale kollektive Erfahrung prägen Kriege generationstypische mentale Strukturen und gestalten weit ausholende psychische Verarbeitungsweisen und lebenspraktische Sinnbezüge, oft ganz unbewusst und wenig begriffen. In einem interdisziplinären Gespräch zwischen einer Historikerin und einem Psychoanalytiker wird der Frage nachgegangen, wie Kriege des 20. Jahrhunderts sich im allgemeinen Bewusstsein niedergeschlagen haben und welche Entwicklungsschritte der psychoanalytischen Theoriebildung davon stimuliert wurden.
Prof. Dr. Dorothee Wierling, Historikerin, ehem. Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg / PD Dr. Ulrich Lamparter, Dipl.-Psych., FA für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker, AEMI, Hamburg
29.06.2023
"Das Unbehagen in der Kultur", Zeitlosigkeit und Fragen nach Dauer und Frequenz von Psychoanalysen
Ausgehend von der zentralen kulturtheoretischen Schrift Sigmund Freuds "Das Unbehagen in der Kultur" (1930) wird versucht aktuelle gesellschaftliche und kulturelle Herausforderungen und Widersprüche zu präzisieren, die nicht zuletzt eng mit dem Faktor "Zeit", "beschleunigte Zeit" und der psychoanalytischen Rede von der "Zeitlosigkeit des Unbewussten" verbunden sind. Die daraus resultierenden scheinbar unauflösbaren, gesellschaftlichen, ökonomischen und individuellen Konflikte, zeigen unmittelbare und tiefgreifende Konsequenzen für die notwendige Dauer und Frequenz heutiger psychoanalytischer Behandlungen auf. Die psychoanalytische Methode an sich, wird dadurch grundsätzlich zu einem kulturkritischen Verfahren und steht im Konflikt zwischen Anpassung oder Unterwerfung sowie Standhalten oder Widerstand.
Dr. Peter Wegner, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker in eigener Praxis, Tübingen
06.07.2023
Das Implizite in der Psychoanalyse – Hat die Couch noch eine Chance?
Die Ergebnisse aus der Säuglingsforschung, Psychotherapie-Forschung und Studien zur Entwicklung des Affekterlebens sowie der Mentalisierung belegen, dass sich die Entwicklung und Organisation des Selbst des Kindes in den ersten Lebensjahren schrittweise im intersubjektiven Wechselspiel zwischen Mutter und Kind entfaltet. Implizit ablaufende Prozesse der Aneignung mütterlicher Ich-Funktionen lassen einen Reifungsprozess des infantilen Selbst und darin eine duale Struktur entstehen, die es ihm ermöglicht, sich selbst wahrzunehmen und zu reflektieren. Implizites Beziehungswissen liefert die Bausteine dieses Reifungsprozesses, zu dem vor allem auch die Entwicklung der für die Bewältigung des Alltags so wichtigen Modi der Anpassung zählen. Dabei entsteht eine Dimension des Nicht-Bewussten, das nicht oder nur unvollständig verbal symbolisiert wird.
Der Vortrag befasst sich mit diesen Zusammenhängen und zeigt auf, wie die Praxis der Behandlung gestaltet werden kann, welche diese Gegebenheiten berücksichtigt. Dabei taucht unvermeidlich die Frage auf, unter welchen Bedingungen das Couchsetting indiziert ist.
Dr. Michael Klöpper, FA für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker in eigener Praxis, APH, Hamburg
Ausgehend von der zentralen kulturtheoretischen Schrift Sigmund Freuds "Das Unbehagen in der Kultur" (1930) wird versucht aktuelle gesellschaftliche und kulturelle Herausforderungen und Widersprüche zu präzisieren, die nicht zuletzt eng mit dem Faktor "Zeit", "beschleunigte Zeit" und der psychoanalytischen Rede von der "Zeitlosigkeit des Unbewussten" verbunden sind. Die daraus resultierenden scheinbar unauflösbaren, gesellschaftlichen, ökonomischen und individuellen Konflikte, zeigen unmittelbare und tiefgreifende Konsequenzen für die notwendige Dauer und Frequenz heutiger psychoanalytischer Behandlungen auf. Die psychoanalytische Methode an sich, wird dadurch grundsätzlich zu einem kulturkritischen Verfahren und steht im Konflikt zwischen Anpassung oder Unterwerfung sowie Standhalten oder Widerstand.
Dr. Peter Wegner, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker in eigener Praxis, Tübingen
06.07.2023
Das Implizite in der Psychoanalyse – Hat die Couch noch eine Chance?
Die Ergebnisse aus der Säuglingsforschung, Psychotherapie-Forschung und Studien zur Entwicklung des Affekterlebens sowie der Mentalisierung belegen, dass sich die Entwicklung und Organisation des Selbst des Kindes in den ersten Lebensjahren schrittweise im intersubjektiven Wechselspiel zwischen Mutter und Kind entfaltet. Implizit ablaufende Prozesse der Aneignung mütterlicher Ich-Funktionen lassen einen Reifungsprozess des infantilen Selbst und darin eine duale Struktur entstehen, die es ihm ermöglicht, sich selbst wahrzunehmen und zu reflektieren. Implizites Beziehungswissen liefert die Bausteine dieses Reifungsprozesses, zu dem vor allem auch die Entwicklung der für die Bewältigung des Alltags so wichtigen Modi der Anpassung zählen. Dabei entsteht eine Dimension des Nicht-Bewussten, das nicht oder nur unvollständig verbal symbolisiert wird.
Der Vortrag befasst sich mit diesen Zusammenhängen und zeigt auf, wie die Praxis der Behandlung gestaltet werden kann, welche diese Gegebenheiten berücksichtigt. Dabei taucht unvermeidlich die Frage auf, unter welchen Bedingungen das Couchsetting indiziert ist.
Dr. Michael Klöpper, FA für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker in eigener Praxis, APH, Hamburg
Koordination
Dr. phil. Annegret Boll-Klatt, Dipl.-Psych., Institut für Psychotherapie (IfP) des Universitätsklinikums Hamburg- Eppendorf / in Kooperation mit den Hamburger Aus- und Weiterbildungsinstituten (AEMI, APH, DPG, MBI)
Dr. phil. Annegret Boll-Klatt, Dipl.-Psych., Institut für Psychotherapie (IfP) des Universitätsklinikums Hamburg- Eppendorf / in Kooperation mit den Hamburger Aus- und Weiterbildungsinstituten (AEMI, APH, DPG, MBI)